Ja, das haben bestimmt schon viele geschrieben. Warum Breaking Bad eine geniale Fernsehserie ist. Ich hab’s aber alles nicht gelesen, weil ich’s erst sehen wollte. Mich nicht spoilern lassen. (Spoilerwarnung: Wer die Serie noch nicht gesehen hat, sollte jetzt nicht weiterlesen, sondern erst gucken und dann hierher zurückkehren!)
Das hab ich jetzt geschafft. Fünf Staffeln in einigen Wochen. Die letzte in zwei Tagen zwischen den Jahren. Und da ist ein Bild entstanden in meinem Kopf, die Gründe, warum Breaking Bad richtig gutes Fernsehen ist.
Die Idee ist neu.
Nicht einfach ein Thriller, keine neue Sitcom, keine Krimiserie, keine Anwalts- oder Arztserie. Nein: Die Geschichte eines Chemielehrers, der Krebs hat und als Meth-Koch – also mit Drogengeld – für seine Familie vorsorgen will, die ist neu, so noch nie erzählt worden. Also gibts auch keine Erwartungen, die erfüllt oder enttäuscht werden könnten. Zwei Jahre im Leben des Walter White und seiner Familie tragen uns durch die fünf Staffeln.
Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen.
Im Krimi fiebere ich immer mit dem Kommissar, bei 24 sollte natürlich der Gute gewinnen, also der Anti-Terror-Agent. Auch wenn Jack Bauer oft weit jenseits der Grenze des Erlaubten agierte. Für den guten Zweck. Aber hier plötzlich mit dem Bösen bangen, mit dem immer skrupelloser werdenden Drogenkoch? Der ist doch der Fiese! Verdient sein Geld mit dem Elend der Süchtigen! – Alles richtig. Und doch stehe ich meistens auf der Seite Walter Whites. Weil es immer noch bösere Böse gibt, gegen die er sich erwehren muss. Die nicht mal Ganovenehre haben. Und weil ich gezwungen werde, darüber nachzudenken, wie weit man für eine gute Sache gehen darf. Schließlich will White das ganze Geld ja nur für die Zukunft seiner Kinder, wenn der Krebs ihn selbst besiegt hat.
Auch wenn diese Begründung immer öfter vorgeschoben wirkt, je weiter die Handlung voranschreitet. Und irgendwann sagt er es auch selbst: Ja, er habe das auch für sich getan. Er habe dabei gelebt. Wenn er der Chemieheld war, der das beste Meth der Drogenwelt kochen konnte. Wenn er plötzlich Macht fühlte und tatsächlich ausleben konnte, die zuvor nur sein launischer Chef in der Waschstraße oder seine desinteressierten Studenten über ihn ausüben konnten.
Denn genau darum geht es ja: Zu beobachten, wie einer „böse wird“, das Böse in ihm die Oberhand gewinnt: „Breaking bad“ eben. Die Frage, was da passiert, atmet die Serie in jeder Minute. Bei aller Action.
Die Bilder sind überwältigend.
Es macht einfach in jeder Sekunde Spaß, den perfekten Bildern zuzuschauen. Ob sie die – nebenbei gesagt überzeugend agierenden – Schauspieler in intensiven Dialogszenen mit Nahaufnahmen einfangen. Ob sie Actionhandlung in nahezu lakonischer Beiläufigkeit transportieren. Oder in ruhigen Fahrten um die Figuren deren unausgesprochene Gefühle und Gedanken einfangen: Hier stimmt jedes Bild.
Was mir selbst gar nicht aufgefallen ist (Danke, Daniel!): Die Perspektive, aus der wir Walter White sehen, verändert sich im Laufe der Staffeln. Also die Kameraperspektive. Die wird immer untersichtiger. Wenn wir als Zuschauer meinen, Walter würde immer mächtiger, ist das auch das subtile Werk der Kameramenschen.
Und dann die Zeitraffersequenzen, wenn es um schnöde Arbeit geht, die die Handlung vorantreibt: Da wird das Meth-Kochen in der Wüste New Mexicos mit Lichtspielen wie aus CSI: Miami zelebriert. Oder der Aufbau eines Labors zum Musikvideo geclippt.
Womit wir bei der Musik wären: Meisterhaft!
Der Soundtrack von Dave Porter ist das eine: Zu jeder Stimmung und Szenerie die passende Musik. Unaufdringlich und doch eingängig. Der Sound verströhmt mit jeder Note die Hitze der Wüste und die schwüle Verzweiflung der meisten Figuren. Denn letztlich sind sie das fast alle: verzweifelt. Aber dazu gleich noch mehr.
Auch die Songs, die z.B. bei Zeitraffern oder bedeutungsvollen Szenen eingesetzt werden, sind genial ausgewählt. Nur ein Beispiel: Für die finale Szene, also das – wie auch immer geartete – Ende eines schlimmen Fingers, der mit „Blue Meth“ (denn die blaue Farbe ist das Markenzeichen der Droge Marke Walter White) sein Geld verdient hat, also für dieses Ende die Band „Badfinger“ mit ihrem Song „Baby Blue“ von 1971 auszugraben: Hut ab!
Das ganze Ensemble liefert eine meisterhafte Leistung.
Nicht nur Walter White kommt echt rüber. Dank Bryan Cranston. Nein, alle Schauspieler hier spielen ihre Rollen nicht, sie sind diese Figuren. Ob das Anna Gunn ist als die immer wieder mit sich kämpfende Ehefrau Skyler. Walter Junior alias RJ Mitte, der seinen Vater verehren und lieben will und es am Ende nicht mehr kann. Oder Walters Partner Jesse Pinkman (Aaron Paul), der eigentlich fünf Staffeln lang süchtig ist, aber nicht immer nach Drogen, sondern letztlich nach Anerkennung, Liebe, Ehrlichkeit und Normalität. Nicht zu vergessen Bob Odenkirk, der als schmieriger, großmäuliger und mit allen Wassern gewaschener Anwalt Saul Goodman sowas wie das komische Element der Serie verkörpert. Ein bisschen wie der Schneemann in der Eiskönigin… Ich weiß nicht, ob ich Odenkirk nochmal ne andere Rolle abnehme.
Besonders hervorheben möchte ich Walters Schwager Hank Schrader (Dean Norris). Als Agent der DEA ist er „Heisenberg“ auf der Spur, also ohne es zu wissen der Gegenspieler Walter Whites. Und er schafft bei mir den Sinneswandel. Erst geht mir das kumpelhafte Großmaulgetue auf die Nerven, aber dann wünsch ich mir irgendwann, dass er gewinnen soll. Weil er eben den richtigen Riecher hat und eigentlich ne richtig coole Sau ist.
Dagegen könnte ich auf Schraders Ehefrau Marie, verkörpert von Betsy Brandt, echt verzichten: schrill, immer zu laut, zu selbstsicher, ohne bis zum Ende nachgedacht zu haben. Sie sagt den anderen, was richtig und falsch ist, beendet mit ihrem Urteil Debatten, weiß immer alles besser. Und das ist einfach nicht sympathisch, selbst wenn ihr moralischer Kompass einer der am besten funktionierenden in der ganzen Serie ist.
Es wird nie langweilig.
Und das ist ja wohl mal das Wichtigste an einer Fernsehserie: Dass ich immer wissen will, wie es weitergeht. Spätestens seit 24 braucht es ja immer wieder Twists in der Handlung, neue Impulse, unvorhergesehene Ereignisse. Die Figuren müssen überraschen. Und das haben sie immer wieder. „Neeee, das macht der jetzt nicht, oder?“ hab ich oft gedacht beim Schauen. Oder mich erschrocken. Genau so muss das.
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