Der ESC-Check 2016

Ich habe mich zum Beginn der ESC-Woche mal wieder durch die Teilnehmer 2016 gehört. Fazit: Kein besonders starker Jahrgang. Nicht viele besondere Nummern dabei. Viel Pop. Viel Vorhersehbares.

Meine Favoriten kommen aus Schweden, Frankreich, tatsächlich Russland, und Australien. Da bin ich mir mit den Buchmachern ziemlich einig. Offenbar ist mein Musikgeschmack wirklich ziemlich mainstreamig.

Hier aber alle Songs im Einzelcheck:

Erstes Halbfinale (10. Mai 2016)

Armenien: Iveta Mukutschjan – LoveWave

Kein Ohrwurm, aber ein Song, der sicht steigert, der nicht vorhersehbar ist. Die Geige überrascht. Und passt irgendwie. Mich hat das gut unterhalten. Und bei der russischen Jury ja offenbar schon für Begeisterung gesorgt, wie man in einem Video sehen konnte. … Kommt dieser Langhaarige aus Game of Thrones?

Aserbaidschan: Samra – Miracle

Ein bisschen wie die billigere Fortsetzung des armenischen Songs. Sehr viel flacher. Miracle ist so’n Zauberwort, wenn man einen Pop-Song texten will, oder?

Bosnien und Herzegowina: Deen & Dalal feat. Ana Rucner & Jala – Ljubav je

Ein Bass-Skelett. Wie hässlich! Und dann wird mit Klischee-Gesten Balkan-Pop dargeboten. Buntes Licht in Moll. Oder umgekehrt. Nix für mich.

Estland: Jüri Pootsmann – Play

Max Rabes junger Bruder macht Hurts nach? Das hat soviel Charme wie ein Kleiderständer.

Finnland: Sandhja – Sing It Away

Ja schön. In der Nummer passiert was. Fängt an wie Loreen, zwischendurch hat’s was von Abba. Und überhaupt wird die Halle tanzen. Die vier Background-Ladies machen mich lächeln.

Griechenland: Argo – Utopian Land

Mooooment! Die Geigen? Die haben doch mit Alexander Rybak schonmal gewonnen. Dann plötzlich Rap (oder sowas in der Art)? Und Kriegstrommeln. Fasziniert mich nicht wirklich. Ganz abgesehen, dass die Welt, durch die der Bärtige sich zeitlupt, ein bisschen nach Augsburger Puppenkiste aussieht…

Island: Greta Salóme – Hear Them Calling

Schöne sphärische Stimme. Bei der Performance hat sie sich deutlich von Loreen inspirieren lassen. Catchy Song. Der kann was. Und die Tinten-/Raben-Effekte sind ebenfalls sehr gelungen. Auf jeden Fall Finale.

Kroatien: Nina Kraljić – Lighthouse

Das Liedchen klingt genauso naiv gesungen, wie es getextet ist und wie sich – sorry, irgendwie achte ich da immer drauf, – die Aussprache der Sängerin anhört. Dass das Video auch noch genauso platt bebildert ist, will ich ihr mal nicht vorwerfen.

Malta: Ira Losco – Walk on water

Die Stimme hört sich auf den ersten Bli… Hörer an wie Celine Dion. Aber nach dem ersten Refrain nervt es mich nur noch.

Moldawien: Lidia Isac – Falling Stars

Solide, aber musikalisch ein bisschen billig.

Montenegro: Highway – The Real Thing

„Mal was anderes“, wie wir im Ruhrgebiet sagen. Laut und düster. Bin gespannt, ob sie die Probenraum-Atmo so auf die Bühne bekommen.

Niederlande: Douwe Bob – Slow Down

Selbst wenn der Song nicht gewinnt – auf WDR 2 laufen wird das Teil, da bin ich mir ganz sicher. Haben die Common Linnets ja vorgemacht. Der Singer-Songwriter-Country-Sound geht sofort ins Ohr.

Österreich: Zoë – Loin d’ici

Och niedlich! Wir haben unsere Manga-Jamie-Lee, die Ösis schicken das Blumenmädchen. Irgendwie erinnert dieses Liedchen an bessere Zeiten, als der ESC noch der Grand Prix d’Eurovision de la Chanson war.

Russland: Sergej Lasarew – You Are the Only One

Ich will nicht, dass mit der russische Song schon wieder gefällt. Denn wer will denn, dass die größte Vollversammlung der Schwulen-Community in Moskau stattfinden muss? Nunja, mir gefällt der Song aber. Und wenn die es hinkriegen, die Visual Effects aus dem Video auch nur ansatzweise auf die Hallenbühne zu zaubern, dann Hut ab! Nicht zu Unrecht seit Wochen der Favorit bei den Buchmachern. Und die lagen in den letzten Jahren selten daneben.

San Marino: Serhat – I Didn’t Know

Also der stimmliche Einstieg hat mich überrascht. Und dann entwickelt sich das ja fast wie ein (leicht billiger) Bond-Song früherer Zeiten. Mit 70er-Jahre-Abba-Background-Sängerinnen. Geht euch das auch so, dass dieses Adriano-Celentano-hafte euch leicht schmierig anmutet? So wie der „Supergeil“-Mann von Edeka? – Eins ist klar: Diese Nummer weckt die schrägsten Assoziationen.

Tschechien: Gabriela Gunčíková – I Stand

Typischer Vertreter der Gattung „gezielt als große Hymne angelegt“. Mit viel Leiden und Ausdruckstanz. Berührt mich nicht.

Ungarn: Freddie – Pioneer

Smarter Typ mit austauschbarem Liedchen. Zugegeben: Interessante Stimme. Finale ja, aber keine Siegchancen.

Zypern: Minus One – Alter Ego

Rocker. Sieht man ja beim ESC auch nicht so oft. Und dann auch noch mit einem catchy Song. Gefällt.

Zweites Halbfinale (12. Mai 2016) – Heute kann auch Deutschland mit abstimmen.

Albanien: Eneda Tarifa – Fairytale Love

Ich versteh kein Wort, aber sie ist glaube ich sehr genervt, so wie sie guckt und singt. DAS versteh ich.

Australien: Dami Im – Sound of Silence

Eine der stärksten, modernsten Nummern im Wettbewerb. So klar und direkt. Kraftvoll und eingängig. Abwechslungsreich, steigert sich, will nicht zuviel. Wenn Australien mehr direkte Nachbarn in Europa hätte, gäbs sicher viele Punkte. So leider keine Siegchancen, auch wenn es verdient wäre.

Belgien: Laura Tesoro – What’s the Pressure

Och Girlpower. Süß. Sehr Neunziger. Gute Laune. Vorm Fernseher und garantiert in der Halle.

Bulgarien: Poli Genova – If love was a crime

Auf diese Nummer hielten die Wettbüros zeitweise auch große Stücke. Als ich die eben zum ersten Mal hörte, dachte ich, sie schon lange zu kennen. Nicht, weil sie nachgemacht wäre. Sondern weil sie so eingängig ist. Bulgarien unter den Favoriten? Das hatten wir auch lange nicht.

Dänemark: Lighthouse X – Soldiers of Love

Typischer Skandinavier-ESC-Gesang. Ein zu braves Liedchen der Pop-Bürschchen, um irgendwas zu reißen.

Georgien: Nika Koscharow & Young Georgian Lolitaz: Midnight Gold

Puhhh. Das is ja nix außer ein bisschen anders. Raus im Halbfinale.

Irland: Nicky Byrne – Sunlight

SO macht man das! Kraftvoller Pop geradeaus. Aber auch nix Besonderes. Wird jede Menge Airplay im Radio bekommen, aber keine Begeisterungsstürme auslösen.

Israel: Hovi Star – Made of Stars

Witziges Drohnen-Video. Und ein leiser, kraftvoller Song, mit dieser Melancholie, die Israels Beiträge oft haben. Schön.

Lettland: Justs – Heartbeat

Musikalisch mutig. Minimalistisch. Gesanglich jetzt kein Kracher. Aber auf jeden Fall keine langweilige Nummer.

Litauen: Donny Montell – I’ve been waiting for this night

Party on! Gute Tanznummer, aber keine Emotionen.

Mazedonien: Kaliopi – Dona

So ne Jammerballade mit Power. Bleibt im Halbfinale stecken. Und zurecht.

Norwegen: Agnete – Icebreaker

Dieser billige Beat, der da von Anfang an drunterliegt, sagt von Anfang an: „Ich bin kein besonderer Song, den ihr euch merken müsstet.“ Und sorry, aber was hat die Sängerin mit ihren Augen gemacht?

Polen: Michał Szpak – Color of Your Life

Der trägt doch Frisur und Schnörres von Leslie Mandoki auf. Das ist auch schon das Erwähnenswerteste an dieser Nummer.

Rumänien: Ovidiu Anton – Moment Of Silence

Eine Powerballade, die auch im Dracula-Musical ihren Platz fände. Werdenwir aber eh nicht sehen, weil Rumänien seinen Rundfunkbeitrag an die EBU nicht bezahlt hat und deshalb nicht mitsingen darf.

Schweiz: Rykka – The Last of Our Kind

Die kleine Marylin möchte aus dem Gesangsparadies abgeholt werden… Versucht in weiß Loreen zu imitieren, nur leider hat sie da nicht die Stimme für.

Serbien: ZAA Sanja Vučić – Goodbye (Shelter)

Um Gottes Willen! Ist schon wieder Maskenball? Und warum schreit die Olle mich an? Eine der schrecklichsten Nummern des ganzen Wettbewerbs.

Slowenien: ManuElla – Blue And Red

Ach auch hier wieder so ein Billig-Beat aus dem 99-Euro-Keyboard… Und der Text macht keinen viel hochpreisigeren Eindruck… Gehört, ertragen, vergessen.

Ukraine: Jamala – 1944

Sicherlich die politischste Nummer des Abends. Für meine Ohren wegen des Gesangs der Krimtartarin Jamala aber auch eine der am schwersten zu ertragenden. Es geht um die Geschichte ihrer Urgroßeltern. Die waren 1944 unter Stalin von der Krim deportiert worden. Bezüge zur Annexion der Krim durch die Russen 2014 seien nicht beabsichtigt… Das muss man ja nicht glauben.

Weißrussland: Ivan – Help You Fly

Mandaloooo! Mandaloooo! Warum denk ich hier spontan an diese Quatschnummer von Joko und Klaas? Davon ab ist der Song gar nicht so übel. Aber so richtig Seele hat er nicht.

Fürs Finale (14. Mai 2016) gesetzt:

Deutschland: Jamie-Lee Kriewitz – Ghost

Ein guter Song, eine Sängerin, über die geredet wird, weil sie schon eine besondere Erscheinung ist. Aber eben leider auch nicht so besonders, dass sie – wie einst Lena – die Nachbarn rund um uns rum begeistern und in ihren Bann ziehen würde. So wird es – denke ich – ein Platz im Mittelfeld.

Frankreich: Amir Haddad – J’ai cherché

Seeeehr relaxte Nummer. Diese Leichtigkeit klingt nach Sommerhit. Das Zweisprachige ist für einen Franzosen sehr ungewöhnlich. Amir einer der großen Favoriten bei den Buchmachern.

Italien: Francesca Michielin – No Degree of Separation

Ich hab vor der Frau ein bisschen Angst. Die wirkt so streng. Und so, als hätte sie gar keine rechte Lust.

Schweden: Frans – If I were sorry

Tolle Nummer! Sehr heute. Sehr modern. Mich erinnert sie an „Gestört aber geil“, andere hören andere Anleihen. Heißer Anwärter auf die vorderen Plätze.

Spanien: Barei – Say Yay!

Die Spanier schicken immer große Stimmen. Diese Party-Power-Ballade ist jetzt aber auch keine große Kunst.

Vereinigtes Königreich: Joe & Jake – You’re Not Alone

Und das aus dem Mutterland der Popmusik. Oh my God! You could do better…

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