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Die schützende Hand

Der achte Fall für Georg Dengler ist ein sauber recherchierter Krimi, der mitten aus dem echten Leben kommt: Es geht um die angebliche Mordserie des NSU-Trios Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe. Spannend, lesenswert und erhellend.

Auf WDR 2 war dieser Beitrag ein Krimitipp.

Dieser Krimitipp kommt mitten aus dem echten Leben, mitten aus den Nachrichten. Es geht um die angebliche Mordserie des NSU-Trios Mundlos/Böhnhardt/Zschäpe.

Die beiden Uwes – Mundlos und Böhnhardt – waren in Erfurt kurz nach einem Banküberfall tot in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden worden. Sie hätten sich umgebracht, heißt es, und den Camper angezündet. Einer hat da so seine Zweifel. Georg Dengler ermittelt. Privatdetektiv, früher beim BKA und totaler Gerechtigkeitsfanatiker. Der bekommt anonym den Auftrag, den Tod von Mundlos und Böhnhardt im Wohnmobil in Erfurt nochmal zu überprüfen. Denn da sei was faul, es sei alles nicht so gelaufen, wie die Behörden in ihren offiziellen Versionen behaupten.

Versäumnisse und Ermittlungspannen im Fall Böhnhardt/Mundlos

“Verschwörungstheorie”, denkt Dengler. Denn erstmal erscheint ihm das alles plausibel, was Polizei und BKA veröffentlichen. Doch er schaut genauer hin und entdeckt logische Brüche, Riesenpatzer, gigantisches Behördenversagen: Der zeitliche Ablauf passt nicht. “Es kann so nicht geschehen sein, da der Zeitkorridor von 20 Sekunden zu schmal ist. Es ist nicht möglich, innerhalb von 20 Sekunden Mord, Brandstiftung und Selbstmord zu begehen.” Die Opfer wurden nicht geborgen. “Es wurde kein Notarzt gerufen. Bei der ganzen Aktion war kein Arzt dabei.” Und am unglaublichsten: Das Wohnmobil, in dem zwei offenbar tote Männer lagen, wurde nicht abgesperrt, fotografiert und gründlich untersucht. Sondern mitsamt den Leichen auf einen Abschlepp-Lkw geladen und in eine Halle beim Abschleppunternehmen gestellt. Geht man so mit einem Tatort um?

Schorlau holt seine Informationen aus den offiziellen Akten

Man sollte meinen, da hat der Herr Schorlau als Autor eine rege Phantasie. Aber leider kann man sich sowas nicht ausdenken. Das hat er alles aus realen Akten des Falles Mundlos/Böhnhardt. Das ist jetzt auch alles nicht wirklich neu, da hat es schon ARD-Dokumentationen drüber gegeben und Parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben sich damit beschäftigt. Der Öffentlichkeit ist das alles nicht so bewusst – und Konsequenzen gabs auch noch keine. Weil immer wieder Verbindungen zu deutschen Geheimdiensten auftauchen. Zum Verfassungsschutz in Thüringen zum Beispiel, zum BND und so weiter. Und die – es sind Geheimdienste – mauern. Lassen sich nicht in die Akten gucken. Wie eng ihre Verbindungen in die ostdeutsche Neonazi-Szene waren und sind. Was sie gewusst und gesteuert haben.

An der Stelle fängt jetzt die dichterische Freiheit des Krimiautors an: Im Buch stellt sich der Fall mit seinen Drahtziehern am Ende deutlich klarer dar, als in der bundesdeutschen Wirklichkeit Ende 2015.

Sauber recherchierter, achter Fall für Georg Dengler

Wolfgang Schorlau ist nicht als Verschwörungstheoretiker bekannt, im Gegenteil. Er recherchiert sehr gründlich, dokumentiert das auch in seinen Büchern immer exakt mit Fußnoten. “Die schützende Hand” ist auch schon Georg Denglers achter Fall. In den bisherigen ging es um so brisante wie mysteriöse Geschichten wie zum Beispiel die RAF-Morde, das Oktoberfest-Attentat oder Menschenversuche der Pharmaindustrie.

Fazit: Spannend, lesenswert und erhellend.

Wolfang Schorlau
Die schützende Hand
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-04666-3
Preis: 14,99 Euro

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