Die Ganovenehre der New Yorker Cops

Auf dieses Buch hat die Krimigemeinde gewartet – es gibt was Neues von Don Winslow. Dem Meister des harten, realistischen Thrillers. “Corruption” heißt der. Der Name sagt es schon, es geht um Schmiergeld, um Schattengeschäfte, um Geben und Nehmen. Und zwar vor allem bei der Polizei.

Das Buch ist dabei sehr nah an der Realität. Sagt Winslow selbst. Immer wieder gibt es bei der New Yorker Polizei und auch anderswo große Korruptionsskandale. Hier verdichtet er diese Tatsachen, seine Recherchen auf eine Eliteeinheit in New York und stellt einen Cop in den Mittelpunkt: Denny Malone.

Elitecops, die die Hand aufhalten

Malone ist einer der besten. Hart, kompromisslos, er liebt seine Stadt und will sie säubern. Aber er merkt auch, dass das oft nur geht, wenn er sich auf Deals mit Kriminellen einlässt. Sich mit den Feinden seiner Gegner verbündet. Den Chefs ist das egal, solange er Ergebnisse bringt und sie selbst von dem Dreck nicht getroffen werden. So rutscht er – und das erleben wir mit als Leser – immer tiefer in einen Sumpf aus Erpressung, Gegengeschäften, Handaufhalten …

Das Interessante ist: Er tut das längst nicht nur für sich. Winslow beschreibt zum Beispiel ein System, dass eine große Summe Schmiergeld am Ende eines Jahres zu Weihnachten zusammengeschmissen und dann verteilt wird. Und zwar an die, die es dringend brauchen: zum Beispiel Witwen von Cops, die im Dienst ums Leben gekommen sind, und keine Rente bekommen.

Wenn Polizisten das Wort „Ganovenehre“ buchstabieren

Da ist der korrupte Cop mit edlen Motiven so ein bisschen der Robin Hood von Manhattan. Nach dem Motto “Das System macht dir Ärger? Dann ärger es zurück. Nimm dir, was du verdienst.” Da bekommt man kurzzeitig Verständnis für die Korrupten. Aber Winslow verherrlicht da nichts, sondern macht klar: Wenn Polizisten das Wort Ganovenehre buchstabieren, hat die Behörde ein Problem. Denn wer soll wem noch trauen?

Corruption” ist nicht ein zu lösender Kriminalfall mit Opfer und Täter, sondern mehr: Das Buch zeichnet das große Bild. Ein Sittengemälde der New Yorker Polizei. Exemplarisch am Abstieg Denny Malones, der vom angesehenen besten Cop der Stadt zur Ratte wird. Zum Verräter. Das ist ein Gesellschaftsroman.

So dick wie die Buddenbrooks – aber spannender

Da bleibt sich Don Winslow treu: Sein Epos über den mexikanischen Drogenkrieg ist ja legendär, in der Tat mit das Beste, was ich in den letzten Jahren gelesen habe. Die Bücher sind oft episch, komplex, viele Menschen an vielen Orten. So dick wie die Buddenbrooks, aber spannender.

Wer Winslow noch nicht kennt: Sein Stil ist detailversessen, präzise und trotzdem nie ausufernd. Das macht seine Bücher so lesbar. Mit ein paar knappen Sätzen, Satzbrocken, eröffnet er dir eine neue Welt. Bringt einen Charakter auf den Punkt, der in dem Moment in deinem Kopf zu leben anfängt. Wer die grandiose Fernsehserie “The Wire” über die Polizei in Baltimore mag, wird Don Winslow lieben.

Don Winslow / Chris Hirte (Übers.)
Corruption
Verlag: Droemer HC
ISBN: 978-3426281680
Preis: 22,99 €

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