Nichts ist je vergessen

Es geht ums Erinnern in “Nichts ist je vergessen” von Wendy Walker. Und dabei um eine junge Frau, für die Vergessen eigentlich ganz wünschenswert sein könnte. Ich habe das Buch auf WDR 2 besprochen:

Jenny Kramer hat das wohl Schlimmste erlebt, was einem jungen Mädchen passieren kann – sie ist vergewaltigt worden. Ihre Eltern wollen nur das Beste für Jenny, entscheiden sich deshalb für eine experimentelle Therapie: Sie geben ihr ein Medikament, das die Erinnerung an das Geschehen löscht. Oder besser: Das gar nicht erst zulässt, dass sich die Erinnerung im Gehirn festsetzt.

Erinnerungen weg – Wirkungen noch da

Klingt erstmal gut – wäre aber für den Leser langweilig, wenn’s klappen würde. Deswegen klappt das auch nicht. Denn die Erinnerung in Jennys Kopf ist zwar weg. Das konkrete Geschehen auf der Festplatte nicht erfasst. Aber die Wirkungen auf Körper und Seele, die Angst, die Narben – die sind da. Mit denen kämpft Jenny, unter denen leidet sie. An denen arbeitet sie mit einem Psychiater. Und der sieht nur einen Weg: Sie müssen die Erinnerungen zurückholen. Denn: “Nichts ist je vergessen”.

Das ist ein bisschen psychologischer Roman, aber immernoch sehr Krimi, denn es gilt ja schließlich, den Vergewaltiger zu fassen. Was natürlich deutlich einfacher ist, wenn Jenny der Polizei konkrete Hinweise geben kann, wie die Tat abgelaufen ist, an welche Einzelheiten ihres Peinigers sie sich erinnert. Deswegen steht als Hauptfigur auch der Psychiater Alan Forrester im Mittelpunkt. Weil der der eigentliche Ermittler ist – eben in Jennys verschollenen Erinnerungen.

Wissenschaft verständlich und spannend

Jetzt sind die wenigsten Leserinnen und Leser Neurologen oder Psychiater, aber auch für Normalleser ist das Buch spannend und nachvollziehbar. Ich bin echt begeistert, wie die Autorin Wendy Walker hier ganz viel Wissenschaft sehr verständlich transportiert und das auch noch in eine spannende Handlung verpackt. Was vor allem an einem Kniff liegt, an den ich mich auf den ersten Seiten gewöhnen musste: Alan Forrester, der Psychiater, ist der Erzähler. Ein Ich-Erzähler, der auf die ganze Geschichte zurückblickt. Und dabei sehr detailliert – und nachvollziehbar – erklärt, was in unserem Kopf abgeht. Wenn eben zum Beispiel Emotionen heimatlos durch meinen Geist wandern, weil ich mich an das Ereignis nicht erinnern kann, das sie ausgelöst hat. Und warum mich das aus der Balance wirft.

Wechsel zwischen verschiedenen Ich-Erzählern

Die Autorin hat offenbar die Gefahr gesehen, dass das mit dem Ich-Erzähler langweilig werden könnte. Deshalb wechselt die Ich-Perspektive manchmal für kurze Strecken auf andere Personen: Jennys Eltern zum Beispiel. Aber es bleibt immer streng subjektiv, dadurch sehr persönlich. Und weil es eben so anders erzählt ist, ist es ein wirklich faszinierendes Buch.

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