Irrer Killer auf Europareise

Mit Krimis über Serienkiller, die ihre Opfer brutal misshandeln, kann ich eigentlich gar nix anfangen. Dafür gibts da einfach zu viele von. Aber “Zerschunden” von Michael Tsokos ist anders.

Deswegen hab ich den Thriller für WDR 2 als Krimitipp empfohlen.

Story

Ein offenbar irrer Killer reist durch Europa und bringt alte Frauen an ihren Wohnungstüren um. Scheinbar wahllos. Wertvolle Beute macht er dabei nicht. Aber er beschriftet seine Opfer. Schreibt

ihnen ein rätselhaftes französisch-englisches “Respectez Asia” auf den Körper. DNA-Spuren grenzen die möglichen Täter auf ein paar Hundert ein – einer von ihnen wohnt ganz in der Nähe des Berliner Opfers und wird festgenommen.

Hauptperson

Dr. Fred Abel, Gerichtsmediziner beim BKA in der Berliner Abteilung “Extremdelikte”. Doch seine Arbeit hört nicht am Seziertisch auf. Er geht selber raus, ist immer wieder den Tätern auf der Spur. So auch hier. Denn der Verdächtige ist ein alter Freund aus Bundeswehrzeiten. Und er kann – oder will – nicht an seine Schuld glauben. Will ihn außerdem aus dem Gefängnis holen, damit er sich von seiner sterbenden Tochter verabschieden kann. Das ist deren letzter Wunsch. Fred Abel nimmt den Wettlauf mit der Zeit und die Suche nach dem wahren Killer auf. Kann er dabei sachlich Profi bleiben?

Nebenpersonen

Unter Abels durchweg angenehm unaufgeregten Kollegen fällt vor allem ein vorwitziger Praktikant auf. Seine ambitionierten Ideen nerven zwar, aber bringen den Fall auch entscheidend voran. Außerdem wechseln wir in zeitlichen Rücksprüngen immer wieder in die Täterperspektive. Ohne zu erfahren, wer er ist, merken wir doch: Der Mann ist voller Hass, Aggression und Verachtung.

Schauplatz

Fred Abel reist am Dienstweg vorbei an die europäischen Tatorte: Von Berlin nach London, Bari und schließlich Paris. Überall trifft er ihm wohlgesonnene Kollegen – mit ihren ganz eigenen Einstellungen und Arbeitsweisen. Die wohl typisch sein sollen für die jeweilige Polizeiarbeit der Länder. Michael Tsokos als Autor wird es wissen.

Autor

Michael Tsokos leitet unter anderem das Institut für Rechtsmedizin an der Berliner Charité. Kommt also “aus der Szene”. Bekannt als Thrillerautor wurde er 2012 durch “Abgeschnitten”, das er zusammen mit Sebastian Fitzek geschrieben hat. Außerdem machte er im vergangenen Jahr mit einer Kollegin durch die Streitschrift “Deutschland misshandelt seine Kinder” aufmerksam auf das Problem des Wegschauens und Tabuisierens. In “Zerschunden”, seinem ersten eigenen Thriller, orientiert er sich an realen Fällen und Tätern. Das macht den Grusel nicht geringer.

Härtefaktor

Angemessen. Die Tatschilderungen, die Gedanken des Täters, die Blicke in seine zerschundene Seele: Da wird der Leser nicht geschont.

Fazit

Das Tolle an diesem Thriller ist, dass er so echt daher kommt. Ich habe als Leser den Eindruck, wirklich Alltag zu erleben. Wenn Abel zum Beispiel erstmal gar nicht dazu kommt, sich um den eigentlichen Fall zu kümmern, weil so viel anderes passiert und erledigt werden muss. Dazu kein großes privates Geplänkel und jede Menge geschickt eingestreute Erklärungen über Forensik und die Erkenntnisse von Profilern. Lesevergnügen mit Lerneffekt.

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